DEUTSCHE POLITIK :
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Wahlkampf in Deutschland:Eine französische Kolumnistin gibt ihre Meinung
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Bevor ich jetzt an dieser Stelle wiederhole, wie der momentane Wahlkampf von deutscher Seite aus gesehen wird, frag ich das lieber die französische Journalistin und Autorin Pascale Hugues. Guten Morgen, Frau Hugues!
Pascale Hugues: Guten Morgen!
Heise: Was haben Sie denn bisher für einen Wahlkampf hier beobachtet, was ist Ihnen da aufgefallen in den letzten Wochen?
Hugues: Also ich muss wie alle anderen sagen, es war extrem langweilig, weil es überhaupt keine Spannung gibt. Man weiß, wer gewinnen wird, wer die nächste Kanzlerin sein wird. Dem Land geht es wirtschaftlich gut oder mindestens viel besser als allen anderen Nachbarn, also von Griechenland bis Frankreich und Italien. Warum soll man hier was Großes ändern? Und die Deutschen wählen immer sehr stark für die Wirtschaft, also das ist das Hauptmotto jeder Kampagne. Also sehr flach. Aber warum nicht? Besser, als wenn das Land in eine Katastrophe runter geht und Chaos herrscht.
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Heise: Das heißt, Sie hatten es auch aus der Situation heraus gar nicht erwartet, dass da richtig so aufeinander eingeschlagen wird?
Hugues: Nein. Und das andere ist, dass die – wenn man diese Wahlprogramme vergleicht, das ist das Gleiche bei uns in Frankreich noch ein bisschen – also die Kluft zwischen den Parteiprogrammen, die ideologische Kluft ist nicht mehr so groß. Das ist in fast allen europäischen Ländern, aber in Deutschland ist es sehr, sehr stark. Also, die SPD ist eine linksliberale Partei, im Vergleich zum Parti Socialiste in Frankreich, der noch sehr kämpferisch ist und auf Opposition und auf Konflikt setzt. Also, es sind so Details, und deswegen ist es sehr schwer, sich zu kloppen, wenn man keine Unterschiede hat.
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Hugues: Also nicht interessant, weil wir das schon haben. Also in Frankreich gibt es einen Mindestlohn seit sehr Langem. Und das ist für uns unvorstellbar, dass in diesem Land, und das ist auch einer der – dass es in Deutschland keinen Mindestlohn, keinen flächendeckenden Mindestlohn gibt. Und das ist einer der größten Kritikpunkte der französischen Sozialisten an Deutschland und an der SPD. Dass man es nicht geschafft hat, diesen Mindestlohn zu – und dass viele Leute mit sehr wenig Lohn auskommen und mit sehr prekären Arbeitsbedingungen. Kindergeld, das Gleiche. Das haben wir also, Kindergeld, Kinderbetreuung, das haben wir seit Ewigkeiten in Frankreich. Also das sind Themen, die für uns schon gegessen sind, und seit Langem.
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Heise: Der deutsche Wahlkampf aus französischer Sicht. Im Radiofeuilleton hören Sie dazu die Journalistin Pascale Hugues. Frau Hugues, auffällig aus deutscher Sicht ist ja beispielsweise beim CDU-Wahlkampf, dass die Partei fast hinter der Kanzlerin verschwindet, also diese Personalisierung. Aus französischer Sicht, durch den Präsidentschaftswahlkampf geprägt, ist das eher normal, oder?
Hugues: Ja, weil der Präsident in Frankreich eine sehr große Macht hat. Der muss für viele Entscheidungen das Parlament nicht fragen. Er braucht keine Abstimmung des Parlaments. In Deutschland ist es anders, aber diese Personalisierung, das ist ein Trend auch überall in Europa und in der Welt. Also es ist irgendwie auch – ja, es ist auch lächerlich, dass das neue Collier, die Kette von Frau Merkel so eine Riesenrolle gespielt hat. Oder dass sich hier alle jetzt aufregen über den Stinkefinger von Herrn Steinbrück. Und die Porträts, die sind fast alle – also die Porträts, die man in der Presse liest, die sind so alle sehr psychologisierend, sehr intim, sehr auf die Person getrimmte Porträts und nicht so politische Analysen. Aber das ist ein Trend, “la peoplelisation”, sagt man in Frankreich, der Politik.
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Heise: Der deutsche Wahlkampf aus französischer Sicht. Im Radiofeuilleton hörten Sie dazu die Journalistin und Schriftstellerin Pascale Hugues. Ich danke Ihnen ganz herzlich, Frau Hugues, und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!
Hugues: Merci, danke!